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Mobilität

Autofahren anno 1925: Blech, Holz und eine Portion Mut

23.07.2025 - Die Kfz-Versicherung der Württembergischen feiert 100-jährigen Geburtstag. Die Gelegenheit, die Geschichtsbücher zu öffnen und nachzuschauen, wie der Straßenverkehr im Jahre 1925 aussah. Bereit, den Motor anzukurbeln?

Lesedauer: 5 Minuten

Versetzen wir uns in das Jahr 1925. Szenario: Sie erwachen an einem Dienstagmorgen und bereiten sich vor, zur Arbeit zu fahren. Da Sie ein Auto besitzen, gehören Sie eindeutig zu den Besserverdienern der „goldenen Zwanziger“. Vielleicht sind Sie ein Firmeninhaber oder ein Anwalt?

Jedenfalls sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eines: männlich. Frauen durften nur mit Einverständnis ihres Ehemannes den Führerschein machen. Ein Zustand, an dem erst die einen Weltkrieg später entstehende Bundesrepublik Deutschland etwas änderte – und auch das erst im Jahre 1958.

Guten Morgen im Jahre 1925

08:30 Uhr: Sie verlassen Ihr Haus und bereiten Ihr Auto auf die Fahrt vor. Und dieses Auto ist – Wohlstand hin oder her – zwar ein Luxusgut, doch keineswegs luxuriös. Mit einer Handkurbel, die Sie in eine Öffnung unter dem Kühler stecken, starten Sie den Motor. Das kostet Kraft und braucht mehrere Versuche. Vorsicht: Springt die Maschine endlich an, reißt sie die Kurbel mitunter mit. Dann heißt es: Finger weg, oder es gibt einen schmerzhaften Hieb vom eigenen Kraftfahrzeug.

Die Fahrzeuge vor 100 Jahren

  • Kaum Schutz bei Unfällen: Sicherheitsgurte, Knautschzonen oder Airbags? Fehlanzeige. Autofahrer anno 1925 wurden allein von Blech, Holz und Mut geschützt.
  • Tempolimit durch Technik: Die meisten Fahrzeuge schafften nur 30-50 km/h. Schnellfahren war eine Frage des Gefälles.
  • Offene Karosserien: Viele Autos waren „oben offen“. Ein Dach war Luxus oder wurde als Verdeck mühsam aufgezogen.
  • Keine Elektronik: Lediglich das Tachometer existierte 1925 bereits. Man fuhr nach Gefühl und Straßenkarte.

08:35 Uhr: Sie haben Ihr Auto erfolgreich angelassen (heißt: Der Motor läuft und Sie sind unverletzt) und setzen sich in den offenen Innenraum. Ab auf die Straße! Die zu dieser Zeit zumeist aus Kopfsteinpflaster besteht.

Straßenverhältnisse: Vom Feldweg zum Asphalt

  • Pflaster, Schotter, Lehm: Asphaltierte Straßen waren die Ausnahme. Viele Wege bestanden aus Kopfsteinpflaster oder waren einfach festgefahrene Erde.
  • Schlaglöcher und Staubwolken: Ohne Asphalt staubten die Straßen sehr, bei Regen verwandelten sie sich in Schlammpisten.
  • Wenig oder keine Beschilderung: Straßenschilder waren selten. Orientierung erfolgte über Wegweiser, Karten oder Einheimische.
  • Kaum Autobahnen: Die erste Autobahn Deutschlands wurde 1921 eröffnet (AVUS in Berlin). Von einem flächendeckenden Netz konnte jedoch noch lange keine Rede sein. Der Fernverkehr lief über Landstraßen.

09:00 Uhr: Potzblitz! Sie brauchen Benzin und legen deshalb einen Tankstopp ein. Die nächste Zapfsäule finden Sie vielleicht an einer Werkstatt oder einem Laden. Echte Tankstellen gibt es zwar schon, sie sind aber noch selten. Also schnappen Sie sich einen Kanister, bezahlen bar und füllen den Treibstoff selbst ein. Nicht ganz risikofrei, aber damals völlig normal.

Fahrer und ihre Rolle: halb Mechaniker, halb Abenteurer

  • Fahren als gesellschaftliches Ereignis: Autofahren war etwas Besonderes. Man zog sich schick an und fuhr sonntags „aus“.
  • Autofahrer = Mechaniker: Reifenpannen, Motorprobleme und andere Ausfälle waren Alltag. Jeder Fahrer musste selbst Hand anlegen können.
  • Ölwechsel im Hinterhof: Wartung gehörte zum Autofahren dazu. Viele Fahrer erledigten Reparaturen selbst.
  • Reifenpannen waren Routine: Wegen schlechter Straßen und dünner Reifenmischungen musste oft der Ersatzreifen ran.

09:15 Uhr: Endlich bei der Arbeit angekommen. Und der Parkplatz ist immer frei, es gibt nämlich so gut wie niemanden, der Ihnen diesen streitig machen könnte. Wer nicht einfach zu Fuß geht, der nutzt die Straßenbahnen, um sich in den Metropolen fortzubewegen. Autos wie Ihres gibt es, einem zu begegnen ist jedoch selten.

Stadt und Land: Zwei Welten im Verkehr

  • Städte mit Straßenbahnen, aber ohne Verkehrsfluss: Straßenbahnen kreuzten die Fahrbahnen, Autofahrer mussten improvisieren.
  • Lärm und Gestank: Frühe Motoren waren laut, ruckelig und stanken stark – besonders in Innenstädten.
  • Auf dem Land gab es so gut wie keine Autos: Kraftfahrzeuge waren ein urbanes Phänomen. Bauern bewegten sich noch lange mit Tiergespannen fort.

Fazit: Autofahren war ein Abenteuer

Vor 100 Jahren war Autofahren in Deutschland etwas für Mutige, Tüftler und Entdecker. Es bedeutete Freiheit, aber auch Ungewissheit, technische Herausforderungen und körperliche Anstrengung. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war damals eine Mischung aus Pioniergeist, Abenteuerlust – und immer auch ein bisschen Improvisation.

Noch ein Novum der 20er: Die ersten Kfz-Versicherungen treten in Erscheinung, so auch die der Württembergischen.

Der Autor: Johannes Traub

Johannes Traub arbeitet seit Juni 2019 bei der Württembergischen Versicherung und kümmert sich um alles, was sich Content nennen darf. Mit seiner Erfahrung in den Bereichen Gesundheitsmanagement, Marketing sowie im Journalismus sorgt er dafür, dass die Inhalte der Württembergischen so viel klare Kante zeigen wie ihr Slogan.

Deutschland in einer Zeit vor dem Aufstieg des Automobils? Aus heutiger Sicht beinahe surreal.

Johannes Traub

Redakteur württgemacht Blog

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