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Existenz

Wann haften Eltern für ihre Kinder? Alles über die Auf­sichts­pflicht

21.11.2025 - "Betreten verboten, Eltern haften für ihre Kinder!" Dass die uralte Drohung vom Bauzaun rechtlich nicht wasserdicht ist, ist weithin bekannt. Wann haften Eltern dann wirklich für ihre Kinder?

Lesedauer: 5 Minuten

Grundlage: Was bedeutet elterliche Aufsichtspflicht?

Kleine Kinder besitzen noch kein voll ausgebildetes Urteilsvermögen. Sie können Gefahren noch nicht richtig einschätzen und eventuelle Konsequenzen ihres Handelns nicht in Gänze nachvollziehen. Die Aufsichtspflicht bedeutet, dass Eltern oder Erziehungsberechtigte dafür verantwortlich sind, genau diese Aufgaben für ihren Nachwuchs zu übernehmen. Sie müssen ihre Kinder beschützen und überwachen – eben beaufsichtigen.

Zur Aufsichtspflicht gehört allerdings auch, sicherzustellen, dass durch den Nachwuchs kein anderer Mensch verletzt oder dessen Eigentum beschädigt wird.

Gesetzliche Regelungen zur Aufsichtspflicht

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist festgelegt, dass Eltern für den Schaden, den ihre Kinder verursachen, haftbar gemacht werden können. Konkret geht es hierbei um § 832 BGB, der die Aufsichtspflicht definiert. Verstöße gegen die Aufsichtspflicht können verschiedene rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, abhängig von der Art und Schwere des verursachten Schadens.

Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, […], ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt […].

Absatz 1 § 832

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Wer ist aufsichtsbedürftig und in welchem Alter?

Die Intensität der Aufsicht und das Maß an zugetrautem Freiraum verändern sich mit dem Alter und der Reife des Kindes.

  • Grundsätzlich sind Kinder unter sieben Jahren als deliktunfähig eingestuft (§ 828 Abs. 1 BGB), das heißt, sie können selbst nicht haftbar gemacht werden.
  • Im Straßenverkehr sind Kinder sogar bis zum Alter von zehn Jahren nicht haftbar zu machen.
  • Aber: Eltern können haftbar werden, falls sie ihre Aufsichtspflicht vernachlässigen und dadurch ein Schaden verursacht wird.

Aufsichtspflicht verletzt: Wann haften Eltern für ihre Kinder?

Eltern müssen angemessene Vorkehrungen treffen, um Risiken für ihre Kinder - und Risiken, die von ihren Kindern ausgehen könnten - zu vermeiden. Was dabei als angemessen betrachtet wird, kann sich je nach Situation und Kind stark unterscheiden.

Beispiel: Echtes Gerichtsurteil zur Aufsichtspflicht

Ein Beispiel für die richterliche Auslegung der Aufsichtspflicht sind die zerkratzten Autos von Bochum: VI ZR 199/08 - LG Bochum. Hier klagten Autobesitzer gegen die Eltern eines Fünfjährigen.

  • Szenario: Die Mutter brachte ihren Sohn auf den Spielplatz ihrer Wohnsiedlung und vermittelte ihm deutlich, diesen nicht zu verlassen. Danach begab sie sich alleine zurück in das nahegelegene Zuhause, um auf die Toilette zu gehen. Hierfür brauchte sie allerdings 40 Minuten – in denen der Sohnemann 17 Autos mit Glasscherben zerkratzte. Es folgte eine Klage der Autobesitzer.
  • Der Vorwurf: Die Mutter hätte ihre Aufsichtspflicht verletzt und sei für die Schäden haftbar, die der deliktunfähige Fünfjährige angerichtet hatte.
  • Das Gericht urteilte: Die Mutter ist ihrer Aufsichtspflicht mit der Belehrung, den Spielplatz nicht zu verlassen, ausreichend nachgekommen. Unter Berücksichtigung des (absolut normalen) Entwicklungsstandes des Kindes sei das unbeaufsichtigte "Spielenlassen" auf einem Spielplatz über einen Zeitraum von bis zu einer Stunde in Ordnung.

Wird die Aufsichtspflicht verletzt, haften Eltern für ihre Kinder

Ein fünfjähriges Kind, das alleine auf einem ihm bekannten Spielplatz spielt, ist also immer noch "beaufsichtigt", wenn es von einem Elternteil klar und deutlich belehrt wird, den Spielplatz nicht zu verlassen. Ob das Elternteil dann geschlagene 40 Minuten auf der Toilette des angrenzenden Wohnhauses verbringt, hatte hier keine Auswirkung. Ins Gewicht fiel außerdem, dass der Fünfjährige bis dato nicht dafür bekannt war, mutwillig Schäden anzurichten oder üble Streiche zu spielen.

Es kommt also stets auf die Situation an

Hätte das Gericht bei einem Achtjährigen gleich entschieden? Wie sähe die Situation aus, wenn die Familie mehrere Straßen entfernt wohnen würde? Wie sähe es aus, wenn die Mutter nach zehn Minuten zurückgekommen wäre, aber nicht die klare Anweisung gegeben hätte, den Spielplatz nicht zu verlassen? Unmöglich zu bestimmen. Ob und wie sehr die Aufsichtspflicht verletzt wird, hängt also stark von:

  1. Alter,
  2. Entwicklungszustand,
  3. und der möglichen "Einsicht" des Kindes ab.

Versicherungsschutz für Kinder und Familien

Keine Auslegungssache, sondern ein Fakt: Eine private Haftpflichtversicherung für Familien ist eine der wichtigsten Versicherungen. Sie kommt für Personen-, Sach- und Vermögensschäden auf, die durch Kinder entstehen und wehrt sogar unberechtigte Ansprüche ab – diese Leistung nennt man passiven Rechtsschutz.

  • Unser Tipp: Als Eltern fühlt man sich meist für alle Schäden, die der Nachwuchs verursacht, verantwortlich. Damit Nachbars Fenster schnell repariert ist, steht die Familienhaftpflicht auch bei Schäden durch deliktunfähige Kinder an Ihrer Seite.

Fazit: Haben Sie ein Auge auf die Kids

Halten wir also fest: Die Schilder am Bauzaun liegen (meistens) falsch: Eltern haften nicht (immer) für ihre Kinder. Sie tun es jedoch oft genug - vor allem wenn den Kindern unterstellt werden kann, die Folgen ihrer Handlungen auch einschätzen zu können und wenn die Eltern kein wachsames Auge auf sie haben.

Der Autor: Johannes Traub

Johannes Traub arbeitet seit Juni 2019 bei der Württembergischen Versicherung und kümmert sich um alles, was sich Content nennen darf. Mit seiner Erfahrung in den Bereichen Gesundheitsmanagement, Marketing sowie im Journalismus sorgt er dafür, dass die Inhalte der Württembergischen so viel klare Kante zeigen wie ihr Slogan.

Aufsichtspflicht ist Auslegungssache: Eltern sind schließlich keine Überwachungskameras und Kinder keine wandelnden Gefahrenherde.

Johannes Traub

Redakteur württgemacht Blog

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